Zur Kunst
Kunst ist die Suche nach dem ureigenen Ausdruck der Beziehung zu sich selbst, zu anderen und zur Welt. Es ist die Suche nach dem Wesen der Dinge und dem, was ihnen zugrunde liegt und sie ausmacht. In der Freiheit des Menschen liegt seine Kreativität begründet und die Fähigkeit, daraus eine schöpferische gestaltende Kraft zu machen. Dies ist ein Lebensprinzip, das auffordert, dass es in einem bestimmten Augenblick in eine bestimmte konkrete Form gebracht wird, die der eigenen Wahrheit eine Wirklichkeit verleiht, die immer auch einen kollektiven Zusammenhang durchscheinen lässt. Grundsätzlich geht es darum, Wahrnehmung eine Gestaltung zu geben, Form und Ausdruck und so Erleben zu entfalten und entwickeln.
Zur Kunsttherapie (Phronetik: I.M. Starke)
„ Beobachten wir, wie ein Tastorgan, die Hand, zugleich Fühler und Greifer, sich dem Gegenstande anschmiegt und gleichzeitig denselben hin und her bewegt, als wüsste sie schon das, was sie erst ertasten will, so ist es auch so, dass man nicht weiß, ob zuerst die Empfindung war, welche die Bewegung leitet, oder ob zuerst die Bewegung es ist, von der das „hier“ und „jetzt“ jeder zukommenden Empfindung bestimmt wird. Denn die Bewegung schafft wie ein bildender Künstler den Gegenstand nach, und die Empfindung empfängt ihn, wie das hingebende Gefühl.“ ( V. v. Weizsäcker, „Der Gestaltkreis“ )
Als Kunsttherapeut begleite ich den Prozess der Selbstgestaltung des Menschen aufgrund der seelischen Dynamik und der sinnlich sinnenhaften Ausformungen im jeweiligen Medium. Die Einsicht und das Verstehen, aus welcher Intention heraus ein Mensch gerade so gestaltet und nicht anders , welche Interventionen den Formungsprozess ermöglichen oder fördern und welches Setting dazu notwendig ist, bestimmen das Gelingen der Begleitung.
Bild und Gestaltung sind Ursprung. Die Lebensbewegung trägt durch ihre räumlich-zeitliche Ausdehnung das Bild in sich. Das Bild ist Träger und Ausdruck des Prozesses. Es ist leibhaftige Erfahrung im jeweiligen Medium. Im kunsttherapeutischen Setting entfaltet sich die Beziehung zum ganzen Menschen, der als Körper-Geist-Seele Einheit gesehen wird. Durch Wahrnehmung der Differenzierung dieser Einheit im Gestaltungsprozess ist es möglich, grundlegende Strukturen zu erkennen, sie zuzuordnen und dadurch Einsicht in das Gesamterleben zu gewinnen. Auf der konkreten Gestaltungsebene geschieht dies durch Unterschiede in den bildnerischen Mitteln, auf psychischer Ebene durch Unterschiede der wirksamen Kräfte Ich und Selbst.
Das Ich ist zuständig für Entscheidung und Ausdruck mit durchlässiger Entwicklungsstruktur und gleichbleibender Identitätsstruktur.
Das Selbst ist die strukturelle Wesenhaftigkeit des Menschen. Es erscheint ausschließlich im Zwischenraum, nicht im direkten Ausdruck wegen dem transzendenten Bezug.
In diesem Zusammenhang ist der Leib-Begriff von wesentlicher Bedeutung. Der Leib ist der belebte, mit Bewusstsein ausgestattete, vom Subjekt erlebte Körper. Der Leib umschließt Körper, Geist, Seele und ist Teil der Lebenswelt. Er ist eine transmaterielle Realität, gebildet aus wahrgenommenen Erfahrungen mit gefilterten und gespeicherten Informationen. Beziehung ist eine Wesensqualität des Leibes mit Ein – und Ausdruckscharakter. Die ursprünglich leibliche Bezogenheit schafft ein Grundvertrauen in den Lebens – und Weltbezug durch den Menschen. Ohne den Anderen gibt es keine Identität, ohne eigene Identität gibt es keine achtende und wertschätzende Beziehung zwischen einem Ich und einem Du. Die Empathiefähigkeit gründet sich in der Möglichkeit des Leibes zum transindividuellen Erleben.
Zur Arbeit am Tonfeld® ( H.Deuser )
Die Haptik, der Tastsinn, ist ein Feld leiblicher Verwirklichung. Sie ist die wesentliche Basis der Arbeit. Der haptische Sinn ist das Sinnenbewusstsein der Hände, ihre Präsenz als Organ, Beweglichkeit und Integration. Die Hände erleben sich berührt, erfahren sich am Gegenstand selbstwirksam, erwerben greifend ihre Fähigkeit zu begreifen. Die Sinnhaftigkeit des Tuns wahrzunehmen und zu erkennen wird möglich. Die Haptik als leibliche Sprache speichert, erinnert und bringt zum Ausdruck, was erlebt wurde und als Erfahrung im Leibgedächtnis aufbewahrt wird. Die Haptik ist ohne ihren ganzheitlichen Bezug nicht zu verstehen. Komplexe soziale und emotionale Erfahrungen, Förderungen und Hemmungen, Beziehungen und Vernachlässigungen werden deutlich.
Der Tastakt ist ein Beziehungsgeschehen. Im Bewegen nehmen wir bewegt wahr, ein anderes erscheint uns, an dem wir uns selbst zukommen. Indem es uns bewegt, erscheint die eigene Bewegung. In der Selbstwahrnehmung über die Basissinne wie Hautsinn, Gleichgewicht und Tiefensensibilität wird zunächst Halt und Gewissheit gesucht. Nach dieser Orientierung entsteht ein Handlungs – und Beziehungsdialog der Hände. Bedürfnisse, Positionen und Entscheidungen werden deutlich bis zur Erfüllung in der eigenen Gestalt. In der Begleitung wird die Gerichtetheit der Bewegungen des Arbeitenden nach empfunden und mit Interventionen beantwortet. Im Wechselspiel von intentionaler Aktivität und begleitender Wahrnehmung geschieht mentalisieren im Gestaltbildungsprozess.
Basistheorie: V.v.Weizsäcker, „Der Gestaltkreis“
Ein Verschränkungskonzept von Wahrnehmen und Bewegen. Ich und Selbst werden intersubjektiv konstituiert. Bewusstsein ist grundsätzlich durch und auf ein anderes bezogen. Mit dieser Wechselwirkung kann sich ein mentalisierendes Selbst entwickeln.
Wie kann ich mir in meinen Bedingungen und Möglichkeiten zukommen, eine erfüllte Gestalt finden?
Am Tonfeld finde ich mich in einer realen Beziehung vor. Ich begebe mich in ein anderes hinein um wahrzunehmen, dass ich Ich-Selbst bin durch Bezogenheit auf ein mitmenschliches Du.
Prozess der Gestaltbildung ist Objektivierung und Regenerierung
Leiblich wahrnehmen, im Raum und in eigener Präsenz. Orientieren und dem Feld annähern.
Bewegen in ein unbekanntes anderes. Kontakt mit der Fläche. Eine leibliche Bindung zum anderen eingehen.
Spuren legen im Berühren und erleben von intentionalem Wollen; einverleiben von Materie
Im Feld eigene Position aufbauen. Gegenständliches Gegenüber von Subjekt und Objekt
Bewegt sein vom eigenen Gestalten und dessen Wirkung. Leibliches Aufrichten
Gewinn von Gleichgewicht, zu sich und zum anderen, eigene Mitte. Das Andere ist Bedingung eigener Möglichkeit – Objektkonstanz –
Ich bin in meiner Mitte Bedingung meiner Möglichkeit – Subjektkonstanz –
Das Andere ist mein Anderes. Einsichtnahme meiner Bedingung als existentielle Notwendigkeit persönlicher Verwirklichung und Gründung. Annahme der eigenen Gestalt.
Zum Mentalisieren
Definition:
Mentalisieren ist die meist vorbewusste imaginative Fähigkeit Gedanken, Gefühle, Überzeugungen und Wünsche intentional auszutauschen, wodurch ein Individuum implizit und explizit die Handlungen von sich selbst und anderen als sinnhaft versteht. ( Fonagy, Batemann & Fonagy)
Mentalisieren als reflexive Kompetenz (Fonagy) erscheint zunächst als basale Grundlage menschlicher Realität. Sie entwickelt sich von Anfang an im interpersonalen Bindungskontext und ist unerlässlich für die Entstehung der intrapsychischen Welt. Die Entfaltung des Selbst beginnt als körper- und leibgebundene – intersubjektive – Kommunikation. Die Selbst-Objekt-Differenzierung findet in der allmählichen Ausdifferenzierung eigen-und fremdleiblicher Erfahrungswelten statt. So entstehen Repräsentanzen als Niederschläge leiblicher Interaktionsformen. (Schultz-Venrath) Mentalisieren ist ohne Entwicklung von Repräsentanzen und ohne Fähigkeit zwischen Ich und Selbst und Ich und Anderem zu unterscheiden nicht möglich. Erst mit der Sprache kommen Symbolbildung und Symbolisierungsfähigkeit hinzu.(Schultz-Venrath)
Die Entwicklung des Mentalisierens durchläuft verschiedene Stufen:
Teleologischer Modus: Alles was Notwendigkeit und Bedürftigkeit aufweist muss konkret im physischen Bereich erfüllt werden.
Äquivalenz Modus: Hier werden innere und äußere Realität gleichgesetzt. Affekte und Emotionen werden ohne modulierende gedankliche Verarbeitung und Bezugnahme zu einem Selbstkonzept unmittelbar existentiell erlebt.
Als-Ob Modus: Hier haben innere und äußere Realität keine Verbindung. Durch die Nichtwahrnehmung von Teilaspekten der Realität geschieht Distanzierung und Abstraktion vom Konkreten und ungefilterten Affekten und Emotionen.
Alle Modi durchdringen sich nach Entwicklung gegenseitig und führen nach ihrer Integration zur reflexiven Kompetenz, wo eigene und fremde Überzeugungen als Repräsentationen verstanden werden, die auch wandel-und veränderbar sind. Dies ist die Öffnung in einen triangulären Bereich hinein, einen Möglichkeitsraum der schöpferischen Gestaltung der Realität.
Die Entwicklung verläuft über emotionale Stabilisierung. Diese wird erreicht durch fokussieren des jeweiligen Affekts mit markierter Spiegelung. Dies ermöglicht die unterscheidende Wahrnehmung von Ich und Anderem.
„ Mentalisieren ist sich selbst von außen und den anderen von innen zu sehen“ (Bateman & Fonagy)
Zum Verständnis: Diese Lehren sind für mich Grundlage meines Wirkens. Sie erklären mehr als alles andere, was ich hierzu lernte, warum Kunsttherapie diese Wirkung entfalten kann, wie ich sie mehr oder minder täglich erlebe. Und immer kommen neue Erkenntnisse, neue Sichtweisen hinzu, erweitern mein Verstehen. Wir Menschen werden geprägt, schon vor der Geburt, seit der Zeugung. Um an diese Dinge heran zu kommen, bedarf es eines tiefen Verständnisses um die Zusammenhänge. Ich glaube, die von mir oben genannten Ansätze eröffnen die Chance, hier tatsächlich begreifen zu können, den eigentlichen Ursachen auf die Spur zu kommen...